Cevdet Hincal

54 Jahre, im Alter von 20 Jahren vollständig erblindet, erst Elektroingenieur, später Umschulung zum Masseur:

»Ein Fußweg mit Quadersteinen, der nach ca 200 Meter nach rechts abbiegt. Auf beiden Seiten des Weges sind viele Bäume und Büsche, auf der rechten Seite sind zwei zweistöckige Häuser, links sind Hochhäuser. Autos parken auf der Straße, die ansonsten wenig befahren ist und wo man kaum Verkehr hört. Deswegen kann man den Weg gut überqueren. Zwischen und neben den Gehwegplatten ist im Laufe der Zeit Gras gewachsen, die Bäume duften und das Wetter ist sonnig.«

Cevdet Hincal



Heiko Kunert

34 Jahre, mit 7 Jahren erblindet, Diplom-Politologe, arbeitet im PR-Bereich:

»Wir sind hier am Goldbekkanal auf einem Steg, vor mir ist das Wasser, der Kanal und eine Trauerweide und gegenüber sind Häuser. Ich höre hier Vögel zum Beispiel Enten und die Sonne scheint. Hier ist es in der Stadt relativ ruhig; ich bin hier gerne, weil es ein akustisch schöner Ort ist: häufig plätschern und schnattern die Gänse und die Vögel singen.«

Heiko Kunert



Ruth Wunsch

80 Jahre, im Alter von 15 Jahren nachlassende Sehkraft, vor ca 15 Jahren vollkommen erblindet, arbeitete als Sekretärin, (Frau Wunsch erstellte vier Fotos und Bildbeschreibungen):

»Ich stehe in meinem Wohnzimmer vor meinem bequemen Sessel und habe in Richtung Wohnzimmertisch fotografiert, auf welchem sich viele Dekorationsteile befinden. Im Vordergrund des Tisches ist ein Kristallherz mit einer roten Herzlampe und einem weißen Marmorherz, weiter links liegt ein Miniaturbumerang aus Australien. Dahinter steht ein Kristallkerzenleuchter mit einer weißen Kerze, zusätzlich dekoriert mit einem blauen Blumenkranz. Rechts daneben ist eine bemalte Bobondose, dann rechts daneben befindet sich ein Ständer aus Metall mit einer Kugel drinnen, die an einem Band aufgehängt ist. Davor ein Kunstwerk von Franz Poppe aus Mürnitz, das soll einen Vulkan darstellen mit einer roten Kugel im Inneren als Lava. Davor ein Behältnis mit einem Stempel mit meinem Namen - ein Geschenk aus China. Darauf ein polierter Holzkasten mit winzigen Souvenirs, dahinter ein buntes Tablett mit Metallsachen, auf dem ein Kristallkorb mit Zierkürbissen steht und eine große Bonbonniere aus Kristall, ein stehender Osterhase mit seiner sitzenden Osterhasenfrau. Diese beiden Osterhasen kommen von einem Kunstgewerbemarkt und wurden mir von einer Freundin geschenkt, die schon verstorben ist. Hinter dem Wohnzimmertisch ist das Sofa, bezogen mit seegrünem Wildleder, darauf drei Sofakissen. Rechts und links liegen zwei Puppen, einmal eine Babypuppe aus meinen Kindertagen namens ›Pummelchen‹ und links eine Puppe in einem bäuerlichen Outfit, die mir eine Freundin schenkte. Über dem Sofa hängt ein Bild, ein Original von einem persischen Maler in zarten, sommerlichen Frühlingsfarben, worauf junge Figuren abgebildet sind, das hatte man mir mal gesagt. Links auf der Sofalehne liegen zwei Panamahüte aus Bast oder Leinen.«


»Wir sind auf dem Vorplatz der Kirche, die Kirchuhr schlägt gerade mit sehr lautem Schlag 12 Uhr, da wir unter dem Turm sitzen. Wir sitzen auf einer Drahtbank ohne Rückenlehne. Der Kirchturm hat oben ein Kreuz drauf, was abends beleuchtet wird. Diese Kirche heißt ›Philippus Kirche‹ (evangelisch-lutherisch) und wurde Anfang der sechziger Jahre gebaut, bevor die Häuser rundherum gebaut wurden. Es gibt hier ein bisschen Baumbestand; ich höre den Wind in den Bäumen, der Vorplatz ist mit Steinen belegt. Hier ist ein relativ ruhiger Ort mit einer besonderen Ausstrahlung, Vogelgezwitscher, im Hintergrund hört man auch den Autoverkehr, aber nicht unmittelbar. Es sind keine menschlichen Stimmen zu hören, in der Ferne singt eine Amsel.«


»Heute ist der 15. Oktober – der Tag des weißen Stockes – ein schöner, herbstlicher Morgen. Ich befinde mich gegenüber von einer Bushaltestelle, an der zwei Busse halten (Nr. 161 und 361 in Richtung Horner Rennbahn). Die Bushaltestelle ist aus einem nicht zerspringenden Material mit Werbeflächen. Diese Haltestelle wird häufig genommen, da hier viele Menschen wohnen, die sie in Richtung Horner Rennbahn benutzen; dort gibt es einen U-Bahn-Anschluss in Richtung Innenstadt. Links von der Haltestelle ist ein Haltemast mit einem Papierkorb, der häufig nicht richtig benutzt wird, weil der Abfall in die Gegend geschmissen wird. In der Bushaltestelle sind Sitzplätze und vor uns liegt die viel befahrene Manshardtstrasse. Hinter der Haltestelle ist eine Wiese und eine Hecke mit sogenannten 4-Punkt Häusern. Eine Anzahl von Menschen steht an der Haltestelle, ich schätze vier bis sechs. Jetzt um 11.08 Uhr ist es eine günstige Zeit, die Haltestelle zu fotografieren, da die Menschen um diese Zeit häufig in die Stadt fahren, um Besorgungen zu machen.«


»Wir sind auf dem Friedhof Öjendorf-Süd. Es duftet hier nach Herbst. Das Feld, wo mein Mann liegt, nennt sich Quartier, dieses Feld ist zur freien Gestaltung, das heißt, es ist nicht vorgeschrieben, wie das Grab auszusehen hat. Ich habe mich entschieden ein Kreuz aus indischem Granit machen zu lassen, in schwarz mit grünlichem Schimmer. Darauf steht der Name meines Mannes – ohne Daten – mit einem Text aus dem alten Testament: ›Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen Du bist mein‹. Davor auf einer Stellfläche steht ein Weidenkorb mit Efeu und je nach Jahreszeit bunten Blumen. Der Korb befindet sich auf zwei Backsteinen, damit er nicht so schnell verrottet. Eine große Eiche steht nahe am Grab meines Mannes und eingesäumt wird dieser Platz von einer Rhododendronhecke. Ganz in der Nähe steht eine Bank, wo ich gerne sitze. Im Sommer sind hier die Vögel sehr aktiv und auch Eichhörnchen halten sich hier auf und das ist es auch, was mir hier gefällt: Hier ist keine Friedhofsruhe, man hört auch Großstadtgeräusche.«

Ruth Wunsch



Anna Koopmann

53 Jahre, seit dem 30. Lebensjahr erblindet, erst Erzieherin, dann Bürotätigkeit (von Frau Koopmann ließ ich zwei Fotos und Bildbeschreibungen anfertigen):

»Ich bin am Bootssteg vom Oldenburger Ruderverein oben am Deich, der mit Gras bewachsen ist, dann geht es runter zum Steg. Der Bootssteg besteht aus Metall, dazwischen sind Holzplanken, damit man nicht abrutscht. Von ihm aus gelangt man auf den unten im Wasser liegenden Holzsteg, von wo aus man direkt ins Boot einsteigen kann. Dieser Bootssteg ist ungefähr zehn Meter lang. Ich höre das Wasser und weil es heute nicht so windig ist, ist das Wasser relativ ruhig. Auf der anderen Seite ist auch ein mit Gras bewachsener Deich und dort müssten Bäume sein, weil ich das Blätterrauschen höre. Und da heute die Sonne leicht scheint, was ich auf meiner Haut spüre, fällt der Lichtstrahl durch die Blätter und aufs Wasser. Ich höre Vögel und ein Kuckuck ruft, es könnten also auch Vögel auf dem Bild sein. Am Bootssteg halte ich mich gerne auf, da das Wasser mich beruhigt, aber gleichzeitig auch eine gewisse Lebendigkeit hat. Auch regt es mich sehr an, ins Boot einzusteigen, um mit anderen zu rudern; was mich mit sehr viel Freude erfüllt. Daneben gibt mir der Bootssteg Sicherheit, da er von seiner Konstruktion her gut durchdacht ist. Hier ist eine schöne Atmosphäre.«


»Jetzt stehe ich vor einer der drei Bootshallen des Rudervereins. Der Boden ist aus Beton, darauf befestigt ist ein Blindenleitsystem, es sind zwei Streifen aus Hartplastik, am Ende gibt es ein Aufmerksamkeitsfeld aus Noppen. Dieses Leitsystem ermöglicht uns Sehbeeinträchtigten ein sicheres selbstständiges Gehen. Es hängen rechts und links die Boote (vier übereinander), die Skulls wie die Steuer sind an der Seite bei den jeweiligen Booten. Die Boote liegen kopfüber und die Ausleger sind mit einem halben Gummiball gesichert. Auf der gegenüberliegenden Seite ist rechts eine Tür.«

Anna Koopmann



Jan Twesten

35 Jahre, von Geburt an blind, studiert Soziologie und arbeitet bei »Dialog im Dunkeln«:

»Wir sind hier vor meiner Stammkneipe ›Joy‹. Wir sehen die Eingangstür, darüber das Schild. Das ›Joy‹ ist eine gemütliche Kneipe mit sehr viel Holz und hat etwas von einem Irish Pub. Zur Abendzeit riecht es hier lecker nach Gebratenem und man hört anständige Rockmusik auch schon von außen. Zurzeit höre ich nur Autoverkehr und vorbeihastende Leute.«

Jan Twesten



Kenya Kühl

21 Jahre, von Geburt an blind, arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte:

»Mein kleiner Tisch mit Blecheimer, mein Sofa ist noch näher, neben dem Sofa ist mein Kühlschrank. Auf dem Sofa sind Polster, ein Hund aus Stoff, Kissen und eine Wolldecke. Ich höre meine Vogeluhr und von draußen höre ich Vögel und Autos.«

Kenya Kühl



Sara Nows

22 Jahre, auf einem Auge blind und auf dem anderen Auge sehr stark eingeschränkt, arbeitet im Büro:

»Das Fenster und mein rotes Sofa mit den roten Kissen. Am Fenster sind Vorhänge, das Fenster ist größer als ich. Rechts vom Fenster steht mein Schreibtisch mit meinem Telefon und dem Drehstuhl. Links vom Sofa kommt die weiße Tür zu meinem Badezimmer, hinter dem Fenster liegt die Schule.«

Sara Nows



Clarissa Kruse

24 Jahre, als Baby erblindet, arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte:

»Wir sind am Kiosk an der Kasse, wo Cen arbeitet. Dort gibt es Zeitungen, Zigaretten und Sachen, wo man Geld drauflegen kann. Der Kiosk ist nicht groß, hier sind Glasscheiben und meistens ist hier nicht viel los.«

Clarissa Kruse



Tjark Jessen

19 Jahre, von Geburt an blind, arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte:

»Auf dem Bett ist Sascha, dahinter Wand und Regal. Saschas Kopf hat Ohren und Augen und einen Mund und eine Nase und einen Bart und Beine und Schultern. Er ist ungefähr so groß wie ich.«

Tjark Jessen



Sascha Kollin

19 Jahre, auf einem Auge blind und auf dem anderen Auge sehr stark eingeschränkt, arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte:

»Vor mir ist das Bett, darüber sind viele Poster von Sarah Engels, oben am Bett steht mein Nachttisch mit meinem neuen Telefon und ein Foto. Das Bett ist bisschen höher als der Boden, auf dem Bett sind Kopfkissen, Decke und Rückenlehne. Die Bettdecke ist gelb, darauf die blaue Thermosdecke und das gelbe Kopfkissen.«

Sascha Kollin



Katharina Friese

38 Jahre, von Geburt an blind, arbeitet als Masseurin (Frau Friese erstellte zwei Fotos und Bildbeschreibungen):

»Ich habe meine Gitarre fotografiert, da mir Musik sehr wichtig ist. Die Gitarre halte ich gerne in der Hand, weil sich ihr Holz schön anfühlt und sie mir schon manch einen guten Dienst erwiesen hat. Sie hat einen Gitarrenhals mit sechs Saiten und wird zum Rumpf hin breiter und hat einen schönen, klangvollen Bauch aus warmem Holz. Im Moment steht die Gitarre wie vergessen auf einer Bank auf meinem Balkon und erinnert an Gartenpartys. Mein Hauptinstrument ist eigentlich meine Stimme, da ich Sängerin bin und keine Gitarristin.«


»Dieses Bild ist auf einer Brücke entstanden, die über einen Bachlauf führt. Dieser Ort begleitet mich durch alle Jahreszeiten, ich halte auf Spaziergängen hier häufig an, um mir das Plätschern des Wassers anzuhören. Wenn es stark geregnet hat, ist das Rauschen des Wassers intensiver. Ich höre, wie das Wasser über Steine läuft und man kann bei diesem Klang seine Seele baumeln lassen.«

Katharina Friese



Michel Behrends

11 Jahre, von Geburt an blind, Schüler:

»Ich bin in meinem Zimmer und habe mein Schlagzeug fotografiert. Ganz oben, links und rechts sind die beiden Becken, dazwischen die Hauptsteuereinheit, darunter die beiden schräg angebauten Drums und Tom Toms. Weiter unten rechts daneben ist die Stand-Tom. Auf der mittleren Drum, die näher ist, liegen die Sticks und die Kopfhörer. Weiter oben ist das Becken, links neben den Tom Toms ist die Hi-Hat. Ganz unten sind die beiden Pedale. Das Rechte ist für die Bass Drum und das Linke ist das Pedal für die Hi-Hat. Ich spiele seit eineinhalb Jahren Schlagzeug, hauptsächlich in der Orchesterklasse meiner Schule. Ich finde die Vielfalt vom Schlagzeug sehr stark ausgeprägt und es war immer mein Traum, Schlagzeug zu spielen.«

Michel Behrends



Jens Uwe Voigt

42 Jahre, im zehnten Lebensjahr erblindet, Jura-Studium und Musikunterricht im Fach Gitarre unter anderem am Hamburger Konservatorium (Herr Voigt erstellte zwei Fotos und Bildbeschreibungen):

»Auf dem Aschenbecher liegt brauner Genuss pur. Den Aschenbecher mag ich sehr gerne, wegen seiner handschmeichelnd gebogenen Form. Vor dem Kauf wußte ich nicht, wie er aussah, deshalb war es eine Überraschung, als er mit der Post kam und ich ihn in der Hand hielt. Die Zigarre schmeckt lecker, ich mag ihre schuppige Form, wie sie sich in der Hand anfühlt. Das Feuerzeug liegt schön schwer in der Hand. Ich habe es wegen seiner goldenen Farbe gekauft (das habe ich in der Kaufbeschreibung im Internet gelesen): Als ich noch sehen konnte, mochte ich Gold als Farbe besonders gern. Glänzende Pfeifen und stumpfer Goldton stelle ich mir wunderschön vor. Ohne Anschnitt gibt es keinen Genuss, mich wundert es, wie scharf die Klinge ist. Ich mag Duft und Geschmack der Zigarre, wie sie immer kräftiger werden und noch Stunden nach dem Rauchen erhalten bleiben. Schade, dass der Wind den ganzen Geruch fortbläst, so muss ich mit dem vorliebnehmen, was ich im Mund habe: sehr cremig, sehr würzig - eine Mischung aus Kaffee, Nuss und Schokolade aus Kuba. Diese Zigarrensorte kenne ich recht lange, bis sie so schmeckt wie jetzt, dauert es aber Jahre. Aber das Warten hat sich gelohnt!!«


»Die Gitarre liegt so ähnlich da, wie ich sie spiele. Man sieht auf der linken Seite das wunderschöne dünne Griffbrett auf dem sich ganz toll greifen lässt. Die meisten Griffbretter von Konzertgitarren sind dicker. Die Saiten liegen sehr eng an und sie ist trotzdem sehr schön laut. Nach so einer Gitarre habe ich lange gesucht, einer Gitarre, die schön warm und natürlich klingt, aber ihren Klang auch behält, wenn man sie an eine Anlage anschließt. Westerngitarren findet man davon wie Sand am Meer, Konzertgitarren nur ganz selten. Ich bin extra nach Wuppertal gefahren, um so eine zu bekommen. Angespielt habe ich sie nicht im Laden, sondern in einem Café, indem auch Auftritte stattfinden. In einem wunderschönen Raum mit viel Holz und Atmosphäre. Der Musiker, der sie mir verkauft hat und seine Freundin haben mir viel Zeit zum Kennenlernen gegeben und waren dafür auch in Hamburg bei mir zu Hause. Es fühlt sich wunderbar an, so etwas großes in der Hand zu halten. Aus welchem Holz sie ist, kann man nicht fühlen. Ich habe mir sagen lassen, dass Blumen drauf sind und das gefällt mir.«

Jens Uwe Voigt



Inge

(und ihr Führhund Spike), 58 Jahre, ab dem 8. Lebensjahr nachlassende Sehkraft, Erzieherin in Altersteilzeit (Inge erstellte zwei Fotos und Bildbeschreibungen):

»Ich bin im Wald in Sasel im Hainesch-Iland mit meinem Führhund Spike. Auf dem Foto sieht man im Vordergrund Spike mit dem Zaun; im Hintergrund ist eine alte, umgekippte Eiche im Wasser vom oberen Mühlenteich. Diese Eiche liegt hier ungefähr seit vier bis fünf Jahren und wird oben schon bemoost sein. Enten treffen sich an der Eiche und von anderen Spaziergängern weiss ich, dass sich hier manchmal eine Wasserschildkröte sonnt. Diesen Platz liebe ich, da im Hintergrund ein Wasserfall zu hören ist, der den oberen mit dem unteren Mühlenteich verbindet. Heute, am Sonntag, bei schönem Wetter ist es eigentlich nicht meine Zeit, hier den Hund frei laufen zu lassen (›Naturschutzgebiet!‹), weil viele Spaziergänger einen darauf aufmerksam machen, dass der Hund an die Leine gehört. Zu anderen Zeiten sorge ich jedoch für genügend Auslauf, den Spike als Ausgleich zum Führen braucht.«


»Wir kommen gerade nach Hause ins Treppenhaus und Spike – mein Führhund – trägt die Schlüssel. Im Hintergrund sind Glasbausteine, davor ist ein Geländer, an dem rechts eine Blume hängt. Spikies Lieblingsspiel findet im Treppenhaus statt; beim Runtergehen muss er das Schlaufenende seiner Leine ins Maul nehmen, um mich auch mal an der Leine zu haben, beim Hochgehen besteht er darauf, unseren Schlüssel zu nehmen! Spike ist ein schwarzer Labrador mit einem sehr breiten Kopf und einer ebenfalls breiten und kurzen Schnauze. Sein Kopf fühlt sich ziemlich rund an und er entspricht ein bisschen dem Kindchenschema. Viele Leute fragen, ob sie ihn streicheln dürfen. Wenn er im Geschirr ist, dann sollte er nicht gestreichelt werden, weil ihn das ablenkt. Wir – Spike und ich – sind ein richtig gutes Team, er ist mein ganz großer Schnuffelbär!«

Inge



Silja Korn

46 Jahre, im zwölften Lebensjahr erblindet, arbeitet als Erzieherin und hat Familie (Frau Korn erstellte zwei Fotos und Bildbeschreibungen):

»Vor 24 Jahren habe ich auf dem U-Bahnhof Mehringdamm meinen Mann auf dem Bahnsteig kennengelernt und damals war der Bahnsteig noch ziemlich düster, es waren nur wenige Lampen angebracht und die Bänke waren noch aus Holz. An dem Tag, als ich damals hier gewesen bin, war es 24.30 Uhr und es war ganz still auf dem Bahnsteig. Im Gegensatz zu jetzt, wo viele Menschen um mich herum sind und von oben der Baulärm zu hören ist, der sehr anstrengend ist. Ich rieche gerade, dass jemand geraucht hat. Als ich meinen Mann hier kennenlernte, standen wir ein bis zwei Meter auseinander und ich hatte das Gefühl, dass er mich fixierte und dann sprach er mich an und fragte, ob ich blind bin. Ich sagte: ›Ja.‹ Er fragte, ob ich schon mal Schwedenkräuter auf meine Augen geträufelt hätte und ich sagte: ›Nein.‹ Dann kam mein Zug und er fragte, ob wir uns noch mal wieder sehen könnten und dann gab er mir seine Telefonnummer und nach drei Wochen haben wir erstmalig miteinander telefoniert und nach ungefähr zwei Monaten waren wir ein Paar. Früher wirkte der Bahnhof weitläufiger, jetzt wurde hier eine Wand gezogen, dadurch erscheint er so gedrängt für mich, wie ein schmaler Raum.«


»Ich stehe auf der Mittelinsel auf der Hasenheide in Berlin-Neukölln und fotografiere in die Autos hinein. Im Moment ist es ziemlich belebt hier und laut und einige Menschen überqueren die Straße zu Karstadt und andere nicht. Ich habe diesen Ort für das Foto gewählt, weil ich vor 34 Jahren beim Überqueren der Straße von einem Auto angefahren wurde, das bei Rot abbog und mich dann erwischte. Ich war 12 Jahre alt und wollte gerade Wasserflöhe für meine Fische bei Karstadt in der Zoohandlung holen. Durch diesen Autounfall bin ich erblindet. An diesem Tag war es ziemlich düster und kalt. Wenn ich hier bin, denke ich immer wieder an diesen Unfall und dass ich hier am Hermann Platz aufgewachsen bin.«

Silja Korn



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